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Rede zum Volkstrauertag


Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger
Laichingens,
 
es ist eine gute Tradition, dass wir am dritten Sonntag im November gemeinsam den Volkstrauertag begehen, und es ist auch eine wichtige und notwendige Tradition. Weil die persönliche Veranstaltung auf dem Friedhof in diesem Jahr leider aufgrund der aktuelle Entwicklung der Corona-Infektionslage nicht möglich ist, möchte ich auf diesem Weg meine Worte an Sie richten.  
 
Heute, am Volkstrauertag, erinnern wir an Kinder, Frauen und Männer aus unserem Land und vielen anderen Ländern weltweit, die ihr Leben lassen mussten, weil Krieg und Gewalt herrschten. Wir gedenken der unzähligen Soldaten, die an den Fronten fielen; wir gedenken der Zivilisten, die in der Heimat oder auf der Flucht umkamen. Wir gedenken der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, der Menschen, die wegen ihrer rassischen Zugehörigkeit, ihres Glaubens oder ihrer politischen Überzeugung ermordet wurden.
 
Wir erinnern heute besonders an den Ersten Weltkrieg, das einschneidende und tiefgreifende Ereignis und sein verheerendes Ausmaß mit bis zu 20 Millionen Toten innerhalb von vier Jahren. Dieser Erste Weltkrieg hat zur Gründung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge geführt und ist auch der Ursprung dieses staatlichen und stillen Gedenktags.
Wir erinnern aber auch an den Zweiten Weltkrieg, der noch fürchterlicher wütete, der weltweit rd. 60 Millionen Tote forderte und an dessen Ende halb Europa in Trümmern lag. Am 8. Mai 1945 schwiegen in Europa die Waffen.
 
Heute erinnern wir auch an die Toten, die Kriege und Gewalt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus unserer Zeit gefordert haben. Wir dürfen in unserem Land seit nun mehr als 75 Jahren in Frieden leben – auch dreißig Jahre im Land wiedervereint -  das ist ein unschätzbares Glück, für das wir alle sehr dankbar sind. Doch überall auf der Welt gibt es auch heute noch Krieg und Gewalt. Millionen Menschen sind auf der Flucht und auch heute noch werden Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihrer Religion getötet. Denken wir z. B. an den Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr oder an den Afro-Amerikaner George Floyd, der im Mai dieses Jahres bei einer Festnahme von  weißen Polizisten getötet wurde. Sein gewaltsamer Tod löste die inzwischen weltweite Protestaktion „Black lives matter“ aus.
 
Wir trauern heute mit unseren Nachbarn in Österreich um die Opfer des Anschlags in Wien und wir denken an unsere Freunde in Frankreich, bei denen nach mehreren Anschlägen in den vergangenen Tagen wieder die höchste Terrorwarnstufe gilt. Gewalt gibt es seit einigen Wochen leider auch in Weißrussland. Wir sind in Sorge mit unseren Freunden in Nesvish, die sich seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im August gemeinsam mit Tausenden Menschen für ein freies und demokratisches Land einsetzen und dabei jederzeit mit einer Verhaftung rechnen müssen.
 
In diesem besonderen Jahr 2020 gedenken wir am VOLKSTRAUERtag auch einer besonderen Gruppe von Menschen. Alle VÖLKER der Welt  TRAUERN um die vielen Menschen, die am Coronavirus erkrankt und verstorben sind. Nach zwei Todesfällen im Frühjahr hatten wir in Laichingen schnell wichtige Maßnahmen umgesetzt, um uns vor diesem Virus zu schützen. Leider erreichte diese furchtbare Pandemie in den vergangenen Wochen eine Dynamik, die auch Laichingen mit voller Wucht zu spüren bekam. Im Laichinger Pflegeheim sind mehrere Bewohner an diesem Coronavirus verstorben. Wir trauern mit allen Angehörigen von jedem einzelnen von ihnen. Und selbstverständlich trauern wir auch mit allen Menschen unserer Stadt, die im Verlauf dieses Jahres Abschied nehmen mussten von geliebten Angehörigen. Die Stadt Laichingen hat erst vor wenigen Tagen Personen verloren, die mit der Stadt eng verbunden waren – z. B. Herrn Heinrich Frank, der langjährige Kämmerer Laichingens, oder Herrn Gerhard Scheible, der sich u. a. als Präsident besonders in der Städtepartnerschaft mit Ducey engagiert hat. Wir werden uns immer dankbar an sie erinnern.
 
Doch kommen wir zurück zum eigentlichen Anlass dieser Gedenkfeier – der Trauer um die unzähligen Opfer der Weltkriege. Laichingen hatte im Ersten Weltkrieg 139 Gefallene zu beklagen, im zweiten Weltkrieg wurde um 220 Gefallene, Vermisste und an Kriegsverletzungen gestorbene Personen getrauert. Wir dürfen sie niemals vergessen, deshalb ist diese jährliche Gedenkveranstaltung unverzichtbar. Gefreut hat mich in diesem Zusammenhang ein ganz aktueller Beschluss des Bundestages Anfang dieses Monats für die Errichtung einer Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte, die fokussiert der Geschichte und Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft gewidmet sein soll. Erinnerung braucht Menschen, die sich erinnern. Das ist wichtig, denn die Zeitzeugen, die uns noch von Kriegszeiten berichten können, werden von Tag zu Tag weniger. 
 
Und das haben auch mehrere Schülerinnen und Schüler unserer Anne-Frank-Realschule erkannt. Gemeinsam mit engagierten Lehrkräften haben sie in einer Projektarbeit Zeitzeugen besucht, befragt und deren Geschichten aufgeschrieben. Daraus ist ein sehr gelungenes und wertvolles Buch geworden, das ich jedem nur empfehlen kann, zu lesen. Eigentlich hatte ich geplant, für die diesjährige Gedenkfeier zum Volkstrauertag junge Menschen zu gewinnen, die sich am Programm beteiligen. Dieser Wunsch hat sich mit der Absage der diesjährigen Veranstaltung nicht erledigt – wir werden die Mitwirkung von jungen Menschen bei dieser Gedenkfeier in den nächsten Jahren weiter auf unserer Agenda haben. Denn sie, die Gestalter der Welt von Morgen, zu sensibilisieren, ist ohne Frage die beste Prävention gegen neue Gewalt.
 
Friede, Freiheit, Achtung der Menschenrechte sind nicht selbstverständlich. Diese Werte müssen errungen und bewahrt werden – immer und überall.
 
Liebe Bürgerinnen und Bürger, wir nehmen unsere Demokratie, unsere Freiheit, die lange Friedenszeit oft als etwas ganz Selbstverständliches hin. Doch wenn wir bedenken, wie viel Unrecht und Unterdrückung, wie viel Kriege und Gewalt die Generationen vor uns erleben mussten oder unsere Freunde noch heut z. B. in Weißrussland erleben müssen, dann wird unser Blick wieder dafür geschärft, wie wertvoll es ist, in einer rechtsstaatlichen, in einer demokratischen Gesellschaft leben zu dürfen.
 
In Ehrfurcht vor den Toten beider Weltkriege und der Opfer von Gewaltherrschaft sowie vor allen Kriegsopfern und im Dienst gestorbenen Soldaten weltweit hat die Stadtverwaltung als Zeichen des Gedenkens jeweils einen Kranz sowohl am Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz als auch auf dem Friedhof an der Ehrentafel niedergelegt. Wir bleiben den Verstorbenen verbunden in der dauerhaften Verpflichtung für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit. Und dies wollen wir für uns im Herzen bewahren, wenn wir heute zusammen den Volkstrauertag begehen.
 
Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr stilles Gedenken.
 
Ihr
Klaus Kaufmann
Bürgermeister
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